Leseprobe 7
Bertram Humbug zu Hühnerklein
Humbugs unmögliche Stadtgeschichte
- Von mannigfaltigen Absonderlichkeiten bei Städtegründungen -
Soest und der Workshop
Im 9. Jahrhundert lebte im Westfälischen ein junger Mann, groß und kräftig, namens Dankwart Soest. Er verdingte sich in vielen
Berufen, zu denen für einen Mann auch untypische Tätigkeiten gehörten. So arbeitete er mehrere Jahre halbtags als Weißwäscher bei der Hofwäscherei Weißklee unter Meister Shlomo Christensen, der
des Öfteren Weichspüler und Wodka verwechselte und so den Wodka in die Wäsche und den Weichspüler in seinen gierigen Schlund kippte, was ihm aber gesundheitlich kaum schadete. Den Rest eines
langen Arbeitstages war Soest als Klöppler bei „Mutter Herma“ Martini beschäftigt, die einen kleinen Handarbeitsladen betrieb.
Aber Soests große Leidenschaft war der Tanz oder was er dafür hielt. Eigentlich ging es ihm um Bewegung um jeden Preis, sei es ein
Ausdruckstanz, den er gerne vor den anderen Klöpplern – samt und sonders ältere Damen – vorführte und wo er eine aufgehende Tulpe darzustellen versuchte oder wenn er schwungvolle Übungen für die
Weißwäscher-Kollegen – ebenfalls ausnahmslos Damen – an der Klopfstange zeigte. Auch ein Slalom um die Wäscheleinen gehörte zu Dankwart Soests täglichen Übungen. Die Damen himmelten ihn an und
die Männer schüttelten nur ihre Köpfe, wenn sie zufällig Soest in Aktion sahen.
Zu jener Zeit hielt Dankwart Soest Workshops für Bewegungswillige auf einer kleinen Wiese vor dem Hause der Witwe Änne Roswitha
Bickdorff, der er für ihre Unterstützung sehr dankbar war, ab, für die er einen kleinen Obolus kassierte. Deshalb hatte er das von ihm kreierte Fitness-Programm, das hauptsächlich die etwas
dickeren und bewegungsmüden Teilnehmer seiner Workshops ansprechen sollte, auch Ärobick in Anlehnung an den Namen der Witwe getauft. Die Wiese als Ort für seinen Workshop war den etwas fülligeren
Teilnehmern geschuldet, die besonders bei den Beugeübungen auch schon einmal das eine oder andere übelriechende Tönchen abgaben, was in geschlossenen Räumen auf die Dauer doch zu Naserümpfen und
Problemen bei der Atmung geführt hätte.
Als das Bewegungsgenie aus Spaß an der Freude eine Volkstanzgruppe zu trainieren begann, lernte er dort die hübsche Blondine
Heidemarie Klumpf kennen, die hauptberuflich als Model für Strick- und Nonnenmoden arbeitete und deren Onkel Rainer Schwesterle einen großen Gasthof betrieb, wo an jedem Sonntagnachmittag nach
dem Kirchgang ein Unterhaltungsprogramm dargeboten wurde. Und nun sah Soest für sich die Möglichkeit die Ergebnisse seiner Workshops neben Heidemaries Modenschauen im Gasthof Schwesterles zu
präsentieren, natürlich auch um Werbung für sich zu machen und seine Übungsbeispiele an interessierte Menschen zu verkaufen. Denn es gab nicht nur spezielle Kleidung, die Heidemarie für ihn
entworfen hatte, sondern auch gezeichnete Übungshefte, wo die einzelnen Bewegungsabläufe detailliert dargestellt wurden. Diese liebevollen Zeichnungen hatte Herma Martinis Sohn Klaus-Adolf
angefertigt, der sich eigentlich als Darmflorist und Donnerbalken-Designer einen Namen gemacht hatte.
Manchmal war Dankwart so voller Elan, dass er beim Pirouettendrehen einfach nicht aufhören konnte und so lange durchhielt, bis er
seinen Mageninhalt druckvoll verlor. Mit den Jahren wurde Änne Roswitha Bickdorffs Wiese durch den ständig zugeführten, zusätzlichen Dünger immer fruchtbarer und so siedelten sich dort bald
Bauern an und ein Ort entstand, der auf Wunsch der Witwe Bickdorff nach dem Bewegungswunder Dankwart Soest, Soest genannt wurde.
Nach dem friedlich verlaufenen Tode der Witwe plante deren Erbe dort eigentlich den so genannten „Deutschen Stretchdackel“ für
seinen Mentor, den Obergerichtspräsidenten und Vorsitzenden des überregionalen Dackelherrchenverbandes, Dr. Darius Möhlenkieker, zu züchten, aber Tierliebhaber, die auf dem Gelände eine seltene
Fruchtfliegenart entdeckt und dem extrem lang gezogenen Stretchdackel lieber noch zwei zusätzliche Beine gegönnt hätten, konnten auch dank einer großen, emotional geführten Pressekampagne die
Nutzung als Dackelzucht verhindern, nachdem die Fruchtfliegenart unter Schutz gestellt worden war.